Die Geschichte der Südtangente – Die Strassenplaner lassen nicht locker

(aus: Die Bonner Südtangente, von Tilman Trauschke und Stephan Löhlein, Herbst 1988)

Das Grundkonzept für den Bonner Verkehr von 1958 sah auch die Südbrücke als eine von zwei neuen Rheinbrücken vor. Sie wurde Ende der 60er Jahre vor der kommunalen Neugliederung von 1969 auf die Stadtgrenze der damals noch selbständigen Städte Bonn und Bad Godesberg geplant, da keine der beiden Städte eine eventuelle Fortsetzung dieses Autobahnteilstücks auf ihrem Gebiet wollte.

Mit der Planung für die Südbrücke, die 1972 fertiggestellt wurde, kamen auch Planungen auf für eine große Ost-West-Verbindung von Holland über Heinsberg, Jülich, Düren, Bonn bis in den Westerwald. Im Bundesfernstraßen-Bedarfsplan von 1970 ist diese als Autobahn geplante Verbindung schon enthalten. Dabei lag das Stück von der A3 bis Zülpich und ein Teilstück bei Düren in der höchsten Dringlichkeitsstufe, der rest in den Stufen 2 und 3.

Gedacht war diese durchgehende Ost-West-Fahrt vor allem zur Entlastung des Kölner Autobahnringes und zur Entlastung der Bonner Wohngebiete vom Berufsverkehr. Entsprechend der 1.Dringlichkeitsstufe ging die Straße im Bonner Bereich ein in die Voruntersuchungen und Trassenprüfungen des Landesstraßenbauamtes.

In den Gebietsentwicklungsplänen von 1970 und 1975 sind Reuter- und Venusbergtunnel sowie rechtsrheinisch der Anschluß an die A3 übernommen worden. In beiden Plänen geht diese geplante A/B56n im Westen über die B56a und im Osten weit über die A3 hinaus (Ost-West-Verbindung). Auch der Bonner Flächennutzungsplan von 1975 stellt Reuter- und Venusbergtunnel dar. Interessanterweise ist die rechtsrheinische Südtangente noch als überirdische Straße vorgesehen (noch kein Ennerttunnel). Der Flächennutzungsplan wurde 1980 so fortgeschrieben.

Im Bedarfsplan von 1975 wurde das Programm etwas zurückgeschraubt. In der ersten Dringlichkeitsstufe stand nur noch die vierspurige Verbindung A3-Südbrücke und ein zweistreifiges Teilstück von Euskirchen nach Zülpich. Ein Großteil der Strecke ist auf zwei Spuren gekürzt worden. Der vierspurige linksrheinische Teil von der Südbrücke bis zur A565 (Venusbergtunnel) ist aufgrund der Überlegungen zum Reutertunnel in die 3. Stufe abgesackt.

1976 wurden dann die Planungen im Bonner Stadtgebiet aktualisiert. Die Planung umfasste Reutertunnel, bahnparallele Entlastungsstraße, Godesberger Tunnel (Nord-Süd-Fahrt) sowie Venusbergtunnel und Südbrückenanbindung an die A3 (Ost-West-Fahrt). 1977 kam es zum sog. 77er-Vertrag zwischen dem Bund und der Stadt Bonn, in dem sich der Bund zur 100prozentigen Finanzierung von Reuter- und Godesberger Tunnel sowie der bahnparallelen Straße verpflichtete.

Nachdem ein Verkehrsgutachten 1979 besagte, daß ein vierspuriger Ausbau der rechtsrheinischen Südtangente nicht nötig sei, taucht dieses Teilstück im Bedarfsplan 1980 nur noch zweispurig als Bundesstraße auf, außerdem wurde es in die zweite Dringlichkeitsstufe herabgestuft. Der linksrheinische Teil von der Südbrücke bis zur A565 ist aufgrund der Prioritätensetzung des Bonner Stadtrats für die Nord-Süd-Fahrt (Reuter- und Godesberg Tunnel) ebenfalls nur in der zweiten Stufe.

Aus Angst vor den Grünen und dem allgemein wachsenden Umweltbewußtsein waren im Bedarfsplan 1980 Autobahnkilometer nicht mehr ganz so großzügig wie früher geplant worden. Außerdem wollte der Bund sparen.

Im weiteren Verlauf der A/B56 nach Westen hatte es 1977/78 einen Planfeststellungsbeschluß gegeben für die Planung der Straße in Form einer Autobahn. Nach der Herabstufung eines Teilstücks auf zwei Spuren im Bedarfsplan 1980 erklärte das OVG Berlin die Gesamtplanung der A/B56n für nichtig. 1987 wurde die Linienführung für die Teilstrecke zwischen Dom Esch und Witterschlick dann vom NRW-Verkehrsminister endgültig gestrichen. Zunehmend spielte das Geld eine Rolle. Für 1984 wollte der Bundesfinanzminister den Verkehrsetat von 6.6 Mrd 1983 auf 6 Mrd kürzen.

Im Gemeinsamen Ausschuß, in dem Vertreter von Bund, Land und Stadt sitzen, wird 1983 festgehalten: Aus akutem Geldmangel werden vorerst keine Straßenbauprojekte in Sachen Südtangente in Angriff genommen. Grundsätzlich unstrittig ist die Notwendigkeit des Ennerttunnels mit Anschluß an die A3, ansonsten bleibt es bei den alten Verhältnissen: Die Stadt ist eher für die Nord-Süd-Fahrt, der Bund für die Ost-West-Fahrt. 1983 wird zum ersten Mal der Mitteltunnel ins Gespräch gebracht. Der Bund und das Land fordern Untersuchungen zum Mitteltunnel, die Stadt ist dagegen. Der Mitteltunnel hat nie eine starke Lobby gewonnen, nicht zuletzt weil er der teuerste der drei Netzschlußtunnel ist.

1984 spitzt sich die Lage zu. Der Bund verlangt eine finanzielle Beteiligung der Stadt, wenn diese auf der Nord-Süd-Fahrt besteht. Die Stadt wird daraufhin kleinlaut und überlegt sich bereits kleinteiligere Alternativen, als der Bund im September 1984 zusagt, daß die 330 Millionen DM aus dem 77er-Vertrag nicht an die dort festgelegten Projekte gebunden sein müssen.

1985 kommt der Bund wieder mehr auf die Stadt zu. Er bietet an, den linksrheinischen Netzschluß (egal wie) und die rechtsrheinische Südtangente einschließlich Ennerttunnel ganz sowie den größten Teil des Godesberger Tunnels zu bezahlen und zu bauen, wenn sich die Stadt endlich definitiv für eine der Netzschlußvarianten entscheidet. Die Stadt zögert aber immer noch, weil auch innerhalb der CDU, die im Rat die absolute Mehrheit hat, Meinungsverschiedenheiten in der Tunnelfrage bestehen. Außerdem gibt es große Bürgerinitiativen für und gegen die Tunnelprojekte.

Im September 1985 beschließt der Stadtrat den Bau des Godesberger Tunnels, über den sich alle Beteiligten schon länger einig waren, damit wenigstens Godesberg schon mal entlastet wird. Der Bund will 86% der Baukosten übernehmen. Die Stadt hat diesen Tunnel als „Sonderwunsch“ vom Bund genehmigt bekommen, weil sie sich grundsätzlich für den Netzschluß ausgesprochen und versprochen hat, keine der Netzschlußvarianten städtebaulich (z.B. per Bebauungsplan) zu verhindern.

Am 30.1.1986 wird der Bedarfsplan 1985 vom Bundestag verabschiedet. Trotz Ablehnung durch das Land bei der Anhörung wird der rechtsrheinische Teil der Südtangente bis zur A3 wieder in den vordringlichen Bedarf aufgenommen. Auf der linken Rheinseite bleibt die Venusbergvariante weiter vierspurig. Östlich der A3 ist keine Weiterführung mehr geplant. Im Westen tauchen immer noch zweispurige Teilstücke der alten Ost-West-Verbindung Richtung Holland auf, diese aber zumeist in der 2.Dringlichkeitsstufe („Planungen“).

Der Gebietsentwicklungsplan (GEP) Stand 1986 stellt die Südtangente dar von der A3 (nicht mehr darüber hinaus) über die Südbrücke und Venusbergtunnel bis zum Anschluß an die B56a (keine Fortsetzung der A/B56n nach Westen). Auch Reutertunnel und bahnparallele Straße sind wie in den GEP-Vorgängern festgehalten.

Im Sommr diesen Jahres nun wurde eine umfangreiche Umweltverträglichkeitsprüfung an ein Frankfurter Büro in Auftrag gegeben, die alle drei Tunnellösungen des linksrheinischen Netzschlusses sowie die Nullvariante untersuchungen soll. Dabei soll auch die verkehrstechnische Notwendigkeit geprüft werden. Das ergebnis wird für Anfang 1989 erwartet. Wenn die UVP für eine der Tunnellösungen spricht, wird sich die Stadt danach richten. Außerdem ist dann mit der Einstufung dieser trasse in den vordringlichen Bedarf des Bedarfsplans von 1990 zu rechnen.

Für die rechtsrheinische Seite wurden vor kurzem noch einmal umfangreiche Verkehrszählungen durchgeführt werden (u.a. wegen der neuen Situation durch die Fertigstellung der A560 als Verbindung A3-A59). Die Ergebnisse liegen noch nicht vor. Wie bereits erwähnt, soll in nächster Zukunft auch für diesen Bereich eine UVP erstellt werden. Für 600 000 DM sollen alle Trassen plus Nullvariante untersucht werden. Die Planung der Trasse wird dann noch ein paar Jahre dauern, so daß mit dem Planfeststellungsverfahren nicht vor Mitte der 90er Jahre gerechnet werden kann.

Fortsetzung: Befürworter und Gegner der Südtangente