Landrat Kühn: Mit allen Tricks für die Südtangente

 

Der Siegburger Landrat Frithjof Kühn ist eine der treibenden Kräfte für die Südtangente. Er entwickelt nicht nur ein grosses öffentliches Profil, sondern agiert auch intensiv  hinter den Kulissen. Dabei schreckt er auch vor so manchem Foulspiel nicht zurück. Im Oktober 1992 hatte der Kreistag ein »Regionales Verkehrskonzept« beschlossen, in dem der Südtangente eine zentrale Bedeutung zugewiesen worden war. Kühn wollte dieses, damals noch als Oberkreisdirektor, 1993 mit einem Gutachten beim renommierten Planungsbüro Grebe untermauern lassen. Grebe kam jedoch genau zum gegenteiligen Schluss. Kühn liess daraufhin das aus Steuergeldern bezahlte Gutachten einfach in den Schubladen verschwinden. Erst im April 1996 kam dies durch eine Indiskretion ans Licht und schlug hohe Wellen. Kein Wunder: Die Zusammenfassung und Empfehlungen des Gutachtens waren eine schallende Ohrfeige für die Verkehrspolitik des Kreises: 

 

»Die dargestellten starken Eingriffe in den hoch schutzwürdigen Landschaftsraum des Siebengebirges und die mit dem Neubau des Ennertaufstieges verbundenen verhältnismässig geringen Entlastungswirkungen auf das vorhandene Strassennetz müssen aus Sicht des Gutachters zu einem vollständigen und endgültigen Verzicht auf den Bau des Ennertaufstiegs führen. ...Die mit jedem Strassenneubau in diesem wertvollen Bereich verbundenen Eingriffe sollten beim Rhein-Sieg-Kreis dazu führen, die gesamte Südumgehung in Bonn sowie in seinem Bereich auch weiter mit Nachdruck abzulehnen. ...

Damit bleibt aber weiter die entscheidende Frage:

· Wie kann die heute auf allen Strassen vorhandene hohe Verkehrsbelastung zwischen dem Rheintal und den östlichen Hochflächen abgebaut werden, um die Lebensqualität – vor allem in engen Ortsdurchfahrten – zu verbessern?

Bei der hohen Landschafts- und Umweltqualität des gesamten Raumes, der sehr verstreuten Siedlungsentwicklung auf der Hochfläche und dem vorhandenen, an das Relief und die Qualität der Landschaft sehr stark angepassten vorhandenen Strassennetz kann es hier keine grosse Lösung geben, zumal der Ennertaufstieg zu einem zusätzlichen unerwünschten Verkehr in diesem Raum führt. 

Es muss daher ein Bündel unterschiedlicher Massnahmen mit gleicher Zielrichtung – nämlich einer Verkehrsberuhigung und Entlastung – entwickelt und durchgesetzt werden. 

Der Rhein-Sieg-Kreis arbeitet derzeit mit einem Wuppertaler Verkehrswissenschaftler an dem Konzept eines flächenbezogenen öffentlichen Nahverkehrs für das ganze Landkreisgebiet. Mit den hier entwickelten Verkehrsdaten und Beziehungen liegen alle Unterlagen vor, die hier notwendigen Massnahmen in einem grösseren Zusammenhang zu entwickeln. 

Für den Untersuchungszeitraum werden aus Sicht der Landschaftsplanung mögliche Entlastungsvorschläge genannt:

· Reduzierung einer weiteren Ausweisung von Wohngebieten auf der Hochfläche, wie sie von den Gemeinden im Rheintal bei der im Talraum erkennbaren Überlastung grundsätzlich angestrebt werden, ...

· Ausbau des vorhandenen Busnetzes von der Hochfläche zu den vorhandenen und zukünftigen Haltestellen der Bundesbahn und Stadtbahn im Rheintal und nach Bonn mit 

-einem verdichteten und auf den Takt gebrachten Fahrplan,

-Busspuren und Vorrangschaltungen an Engpässen,

-einer dichteren Bedienungsfolge in den Stosszeiten des Pendlerverkehrs von 6:30 – 9:00 Uhr und von 16:00 – 19:00 Uhr und

-dem Angebot günstig gelegener Parkplätze in Nähe der Autobahnausfahrten, im Pleistal, zum Umsteigen auf den Bus.

Zeitweise Sperrung überlasteter Strecken für den Individualverkehr in den Spitzenzeiten, als Bremse gegen den starken Pendlerverkehr, so im Ortskern von Oberdollendorf bei freier Fahrt für die Busse. ...

Mit den vorgeschlagenen Verbesserungsmassnahmen des öffentlichen Nahverkehrs wird sich der Kfz-Verkehr von der Hochfläche in das Rheintal, wie bisher, auf mehrere kleine Strassen verteilen. Diese Lösung ist landschaftsverträglicher als die Konzentration des gesamten Verkehrs auf eine Trasse, die nicht zu einer spürbaren Entlastung vorhandener Strassen führen kann.

Vollständiger Verzicht auf früher geplante Strassenbaumassnahmen auf der Hochfläche mit ihrer zusätzlichen Sogwirkung auf den Kfz-Verkehr, wie 

-Umgehung Stieldorf,

-Weiterbau der K15 von Gut Frankenforst nach Niederholtorf,

-Umgehung Vinxel.

Vor allem endgültiger Verzicht auf den Ausbau der Südumgehung von Bonn mit einem verstärkten Druck auf den Anschluss Ramersdorf an der B42 neu. 

Die im Rhein-Sieg-Kreis mit diesem Gutachten nochmals geführte Diskussion um die Auswirkungen des Strassenbaus im Naturschutzgebiet Siebengebirge sind durch den Beschluss zum Ausbau des Südringes von der Stadt Bonn ausgelöst worden. Nachdem bereits das Land Nordrhein-Westfalen aus den bekannten Gründen den Ausbau des Südringes abgelehnt hat, darf auch der Bundesminister für Verkehr diesen einseitigen Ausbau eines Teilbereichs des Südringes nicht finanzieren. Er führt ja erst zu den vom Rhein-Sieg-Kreis befürchteten Belastungen östlich des Rheintals. «

 

Sie können das heute nach wie vor aktuelle Gutachten hier herunterladen (pdf-Format, 2.4 MB). 

 

Besonders aktiv wurde Kühn im Jahr 2000 im Gleichklang mit dem Rest der regionalen CDU. Im August und September 2000 versuchte er gemeinsam mit den CDU-Abgeordneten Röttgen, Hauser und Milz den Vorstandsvorsitzenden von Post und Telekom, Sommer und Zumwinkel, klarzumachen, dass ihre Unternehmensstandorte verkehrlich schlecht erreichbar seien und wollte sie dazu bringen, gemeinsam mit den CDU-Politikern öffentlich die Südtangente zu fordern. Er bekam jedoch noch nicht einmal einen Gesprächstermin bei den vermutlich recht belustigten Managern. 

 

Kurz darauf das nächste Foulspiel: Am 2.1.2001 begann er das neue Jahr mit einem Versuch, beim Landesbetrieb Strassenbau die Zensur der mittlerweile vorliegenden Umweltverträglichkeitsstudie durchzusetzen. »Ich bin der Auffassung, dass bei einer Planungsmassnahme, die bereits durch die Aufnahme in die erste Prioritätsstufe des Bedarfsplanes eine verkehrliche Vorabwägung durchlaufen hat, eine Empfehlung einer Nullvariante rechtlich nicht zulässig ist. Ich möchte Sie deshalb bitten, die Gutachter zu veranlassen, die unzulässige Bewertung aus der UVS zu streichen oder diese als persönliche Meinungsäusserung der Gutachter unberücksichtigt zu lassen.« Damit lag er zwar grob neben der Rechtslage, aber versuchen kann man es ja mal. 

 

All das hinderte den Kreistag natürlich nicht, am 14.2.2001 mit den Stimmen von CDU und FDP die Südtangente wieder mal für »dringend erforderlich« zu erklären (Beschluss zum Herunterladen hier, 819 KB). Am selben Tag erschien ein Brief von ihm an die Bonner Oberbürgermeisterin in der Presse, mit dem er schon mal Stimmung machte. Die Südtangente trage dazu bei, »unsere Region vor dem in Kürze bevorstehenden Verkehrskollaps zu bewahren.« Gegen die Südtangente stimmten im Kreistag die SPD und die Grünen, deren Stellungnahme Sie hier (pdf-Format, 45 KB) herunterladen können, sowie der CDU-Abgeordnete Gerhard Richter aus Birlinghoven, der die Südtangente kompromisslos ablehnt. Erfolglos blieb Kühn allerdings dabei, die renitente St.Augustiner CDU auf Südtangenten-Linie zu trimmen - unter anderem auch weil der wichtigste für diesen Versuch notwendige Akteur, der langjährige St.Augustiner Multifunktionär Karl-Heinz Meys im Sommer 2002 wegen schwerer Korruption als Geschäftsführer der Rhein-Sieg-Abfallwirtschaftsgesellschaft verhaftet wurde. 

 

Nach der Abstufung der Südtangente im neuen Bundesverkehrswegeplan steht Kühn jetzt vor dem Scherbenhaufen eines jahrelangen intensiven Engagements für eine in der Bevölkerung massiv umstrittene Strassenplanung. Statt gegen die Bürger zu arbeiten, hätte er lieber gleich die Empfehlungen des Grebe-Gutachtens von 1993 umsetzen sollen. Wir könnten heute schon viel weiter sein...

 

 

 

20.03.03