Königswinter 

 

Als im Herbst 2000 das Land Nordrhein-Westfalen die von der Südtangente betroffenen Kommunen aufforderte, eine Stellungnahme zu den Planungen abzugeben, war man in Königswinter in gewohnter Tradition rasch dabei, einen weiteren Pro-Südtangente-Beschluss zu fassen, wie schon 1992 und 1997. Der Planungsausschuss des Rates sprach sich am 12.12.2000 (CDU,SPD,FDP gegen die Stimmen der Grünen) ohne irgendeine Form von Bürgerbeteiligung pro Südtangente aus. Den Beschluss können Sie hier herunterladen. Der Rat konnte sich nicht vorstellen, dass es in Königswinter nennenswerte Opposition dagegen geben könnte.

 

In der Tat: Lange Zeit herrschte in Königswinter (und den Nachbarorten) der Eindruck vor, als lebten in dieser Stadt nur begeisterte Anhänger neuer Strassen, insbesondere der Südtangente. Es gab Ratsbeschlüsse in Bonn und St.Augustin gegen die Südtangente, selbst die Beueler CDU war gegen das Projekt – nur in Königswinter, da ist sogar die SPD für das Projekt, und Bürgerwiderstand war äusserst spärlich gesät.
Nun – manche Leute wachen zwar spät auf, aber sie wachen auf. Und darauf kommt es an. Im Januar 2001 wurde von Südtangenten-Gegnern in Vinxel ein Flugblatt flächendeckend verteilt. Im Februar folgte ein weiteres in Dollendorf, später weitere in Holtorf, Stieldorf und Rauschendorf. Die Resonanz  war überwältigend positiv - als Ergebnis gründete sich im März 2001 der Verein »Lebenswerte Siebengebirgsregion«.

 

Gut 10 Wochen nach der Vinxeler Flugblattaktion, am 5.April 2001, reagierte die CDU in Gestalt des (inzwischen nach Rauschendorf verzogenen) CDU-Ratsmitglieds Josef Griese, seines Zeichens Vorsitzender des Planungsausschusses. Auch er verteilte ein Flugblatt in Vinxel, das allerdings überörtliche Beachtung verdient. Griese erhebt drei Vorwürfe. Zunächst behauptet er, die auf dem Flugblatt gegen die Südtangente verzeichnete Landkarte sei nicht korrekt, sondern eine »Verbreitung vorsätzlicher Falschaussagen«. Die Landkarte war allerdings nichts weiter als eine Kopie aus dem Generalanzeiger, nämlich diese. Auch wir sind mit dem Generalanzeiger oft unzufrieden; nun aber faktisch dem Generalanzeiger die »Verbreitung vorsätzlicher Falschaussagen« vorzuwerfen, geht doch zuweit. Das Pikante aber daran ist, dass Herr Griese sich daran stört, dass in der Generalanzeiger-Karte die Südtangente zu nah an Vinxel eingezeichnet ist. Laut Griese führt sie nämlich viel näher an Holtorf vorbei. Also kann es Vinxeler St.Florianspolitikern egal sein, so seine Botschaft – als wir sein Flugblatt dann in Holtorf bekanntmachten, kam dies dort allerdings nicht so gut an. Auf der Karte in Grieses Flugblatt hat er dann wohlweislich gleich die von ihm noch mitgeplante Südtangenten-Zubringerstrasse (beschönigend »Umgehungsstrasse« genannt) an Vinxel vorbei auf die Südtangente weggelassen, auf die die CDU einen möglichst grossen Teil des Dollendorfer Verkehrs leiten möchte. Wer verbreitet hier falsche Karten?
Vollends absurd wird seine Behauptung, Vinxel werde durch die Südtangente »entlastet«. Statt 10 000 Fahrzeuge werden im Jahre 2010 nur noch 8000 Fahrzeuge täglich durch Vinxel fahren, so seine Rechnung. Dass die Südtangente ca.23000 Fahrzeuge täglich an Vinxel vorbei und die von der CDU geplante Südtangenten-Zubringerstrasse eine zahlenmässig unbekannte grosse Ladung von Verkehr, den die CDU von Dollendorf abziehen und künftig direkt an Vinxel vorbei über eine neue »Umgehungsstrasse« auf die Südtangente schleusen will, also neu anziehen soll, verschweigt er geflissentlich. Mit solchen rechnerischen Schildbürgerstreichen kann man vielleicht eine Hauptstrasse ansatzweise entlasten, aber den ganzen Ort belastet man damit immens. Die Krönung ist dann die Aussage, die CDU Stieldorf sei »aus gesamtstädtischer Verantwortung« für die Südtangente nur »mit maximalem Lärmschutz für Rauschendorf« und einer »weitgehenden Tunnellösung mit einer harmonischen Einfügung in die wechselvolle Topographie«. Wider besseres Wissen verschweigt er, dass ein Tunnel nur für den Ennert vorgesehen ist, in Rauschendorf dagegen ein langes Brückenbauwerk über die ICE-Trasse und die A3. Nachzusehen in den amtlichen Detailkarten, die er als Ausschussvorsitzender natürlich hat. Was soll man von Ratsmitgliedern halten, die so etwas für eine »harmonische Einfügung« in die Landschaft halten? Ist das »Verbreitung vorsätzlicher Falschaussagen« oder nur Geschmacksverirrung?
Im Dezember 1996, als Griese zum neuen Vorsitzenden des CDU-Ortsverbandes Stieldorf gewählt wurde, verbreitete er noch eine Pressemitteilung, in der er selbst erklärte »Eine Trassenführung der Südtangente durch den Ennert bringt für die Bewohner von Vinxel und Stieldorf, insbesondere aber für Rauschendorf unerträgliche Nachteile, wenn nicht umfängliche Maßnahmen zur Verminderung der Belastung der dort lebenden Menschen und der Umwelt getroffen werden. Diese Trasse muss vom Austritt aus dem Ennert-Tunnel bis zur Anbindung an die A3 in Tieflage mit vollständiger Abdeckung gebaut werden.« Genau das ist aber nicht Teil der heutigen Planung, der er als Vorsitzender des Königswinterer Planungsausschusses mit zugestimmt hat. Die heutige Planung bringt also laut Griese (1996) »unerträgliche Nachteile«. Dennoch bleibt er trotz zunehmendem Widerstand der Bürger seines Wahlkreises bei seiner Zustimmung zur Südtangente, wie die Bonner Rundschau am 28.5.2001 berichtete. Ob seine Wähler von ihren Ratsmitglied wirklich erwarten, unerträglichen Nachteilen für diese Orte zuzustimmen? Pikanterweise erklärte Griese in derselben Presseerklärung noch: »Eine Umbenennung der "Südtangente" in "Siebengebirgsentlastungsstraße" ist dabei für die betroffenen Menschen im Kirchspiel Stieldorf nicht hilfreich und ändert an der Problematik nichts.« Exakt so ist es. Inzwischen haben die Vinxeler zunehmend Schwierigkeiten, Grieses Politik weiter nachzuvollziehen - weiter hier...

 

Die Königswinterer SPD unterscheidet sich von der CDU kaum in ihrer Begründung, warum sie für die Südtangente ist. Die stellvertretende Bürgermeisterin Iris Grupp verkündete am 9.Mai 2001, die Bürger in Rauschendorf und Stieldorf lehnten zwar die Südtangente ab, müssten sich aber damit abfinden (GA 11.5.01). Ein Demokratieverständnis, das für sich selbst spricht – mit solchen Leuten an der Spitze ist diese Partei wohl für viele Bürger in Königswinter dauerhaft unwählbar. Die SPD in Rauschendorf und Stieldorf lehnt die Südtangente ab, wagte aber jahrelang nicht, dies öffentlich zu sagen. Insbesondere ihre Ratsmitglieder scheuten die Auseinandersetzung in der SPD-Ratsfraktion, bis auf die SPD-Ratsfrau Hilke Andreae-Hinrichs, die vor vier Jahren klar Position gegen die Südtangente bezog, damit aber einen Proteststurm innerhalb der SPD-Ratsfraktion auslöste. Damit dies nicht in Vergessenheit gerät, haben wir ihre Position hier nochmal veröffentlicht. 
Mitte 2001 begann die Königswinterer Südtangenten-Einheitsfront langsam zu bröckeln. Weiter hier.