Die Front bröckelt:  Als Mitte 2001 immer deutlicher wurde, dass der Widerstand gegen die Südtangente in den betroffenen Orten im Rat erheblich unterschätzt wurde, begann die Wirksamkeit der Denkverbote in Königswinter nachzulassen. Die Stieldorfer SPD verabschiedete bereits Ende April eine Pressemitteilung, in der realistische Alternativen zur Lösung der Verkehrsprobleme im Siebengebirge gefordert wurden, die von der emotionsgeladenen Forderung nach der „Südtangente“ nur blockiert würden. Bei der Informations-Veranstaltung der Birlinghovener SPD am 2.Mai 2001 wurden Vorwürfe laut, die Rauschendorfer Ratsmitglieder würden in der Stadt Königswinter ganz im Gegensatz zu ihren Birlinghovener Kollegen in der Stadt St.Augustin die Interessen ihres Ortes der Parteidisziplin unterordnen und in Sachen Südtangente abtauchen. Die Vorsitzende des Bürgervereins Rauschendorf, die FDP-Ratsfrau Helga Rüsch, wies dies vor 150 Teilnehmern empört und vehement zurück: „Die Südtangente wäre eine Katastrophe für unseren kleinen Ort.“ Der Bürgerverein sei immer dagegen gewesen, so Rüsch. Merkwürdig nur, dass dies bis dahin kaum jemandem aufgefallen war. Katastrophen wendet man üblicherweise durch entschlossenes Handeln ab. Bei der Veranstaltung der FDP am 5.April in Ittenbach blieb Frau Rüsch mucksmäuschenstill, als alle FDP-Redner nacheinander für die Südtangente eintraten. Die Rauschendorfer werden sicherlich aufmerksam verfolgen, was ihre Bürgervereinsvorsitzende – die immerhin ein Drittel der FDP-Ratsfraktion ausmacht – künftig im Rat tut.

 

Ebenso empört reagierte bei der besagten SPD-Veranstaltung in Birlinghoven die ebenfalls anwesende Rauschendorfer SPD-Ratsfrau Hilke Andreae-Hinrichs. Selbstverständlich sei sie gegen die Südtangente aktiv, das könne niemand bestreiten. Die beiden Rauschendorfer Mitglieder der Königswinterer SPD-Ratsfraktion hätten kürzlich gegen die Mehrheit der SPD-Fraktion gestimmt, als es um die Freihaltung der Südtangententrasse im Gebietsentwicklungsplan ging. Und selbst der Stieldorfer CDU-Ratsherr Peter Fuchs, nebenbei auch noch Stieldorfer Bürgervereinsvorsitzender, gab sich auf dieser Veranstaltung als Südtangenten-Gegner.

 

Auch in Ittenbach wurden die Südtangenten-Befürworter zunehmend nervös. Der Bürgerverein unter dem Vorsitz des ehemaligen CDU-Ratsmitglieds Peter Jungbluth schaltete am 5.Mai 2001 im Generalanzeiger eine sicherlich nicht billige grossformatige Zeitungsanzeige, in der er sich zum St.Floriansprinzip bekannte und dies auch anderen zubilligte. Allerdings brenne das Haus Ittenbach längst, und in Rauschendorf, Holtorf, Vinxel und Birlinghoven brenne es noch nicht. Als CDU-Ratsherr hat Jungbluth die Ursachen für das Feuer in Ittenbach jahrzehntelang mitverantwortet. Eine Antwort auf diese scheinheilige Zeitungsanzeige von Dr.Franz-Friedrich Rohmer lesen Sie hier. Der CDU-Stadtverband wandte sich im April 2001 wieder mit einer Resolution an NRW-Verkehrsminister Schwanhold, der man allerdings anmerkt, dass der Königswinterer CDU langsam die Argumente ausgehen. Der Verein »Lebenswerte Siebengebirgsregion« schickte daraufhin Schwanhold zur Richtigstellung ebenfalls einen Brief. 

 

Im Mai 2001 wurde es langsam ernst: Die Stimmung entlang der geplanten Südtangenten-Trasse zeigt einen so entschlossenen Widerstand an, dass die Südtangente sich dem Punkt nähert,  an dem sie politisch nicht mehr durchsetzbar wird. Am 17.Mai fand auf Bonner Seite eine Versammlung des Holtorfer Bürgervereins statt, bei der 130 Teilnehmer ihre Ablehnung des Südtangenten-Projekts so unmissverständlich zum Ausdruck brachten, dass der Vorsitzende des Bürgervereins, CDU-Bezirksverordneter Knipping, sich gar nicht erst traute, das Wort zu ergreifen.

 

Die Bürgervereine im nördlichen Königswinterer Raum wurden, nach langer Zurückhaltung, ebenfalls aktiv. Der Vorsitzende des Bürgervereins Vinxel, Rudolf Pieper (der noch im April von Landrat Kühn für seinen jahrelangen Einsatz für die Interessen Vinxels mit einem Verdienstorden ausgezeichnet wurde), sprach sich in einem Interview mit dem Generalanzeiger am 17.Mai in aller Deutlichkeit gegen die Südtangente aus: »Die Südtangente zerstört den ländlichen Raum«. Am 31.Mai fand dann eine gemeinsame Veranstaltung der 6 Bürgervereine des Kirchspiels Stieldorf in Oelinghoven statt, bei der die Bürgervereine einen gemeinsamen Forderungskatalog zur Südtangente präsentierten. Königswinterer Ratsfraktionen, Bürgermeister Peter Wirtz (CDU) und Baudezernent Hubert Kofferath (CDU) sich erstmals den betroffenen Bürgern zum Gespräch stellten (Presseberichte hier). Bisher hatten dies nur die Grünen, die die Südtangente ablehnen, mit einer Versammlung in Rauschendorf getan. In zum Teil sehr scharfer Form wurden den Vertretern von Stadtverwaltung und CDU klargemacht, dass die Bürger im nördlichen Königswinter dieses Strassenprojekt in welcher Trassenvariante auch immer ablehnen. CDU-Vertreter Roman Limbach war ebenso wie der Bürgermeister und der Baudezernent von der Heftigkeit der Kritik der über 150 anwesenden Bürger sichtlich überrascht – kein Wunder, wenn man im Gegensatz zu St.Augustin erst den Beschluss fasst und erst ein halbes Jahr später es für nötig hält, mal mit den Betroffenen zu sprechen. Da verliert man schon mal den Kontakt zur Stimmung im Volk.

 

Aufschlussreich waren die Äusserungen der CDU-Vertreter bei dieser Versammlung. Planungssprecher Limbach erklärte, alle Hoffnungen, die Südtangente würde wegen eines zu erwartenden negativen Ergebnisses der FFH-Studie gekippt, hätten keine Grundlage. Er habe beruflich im Bundesverkehrsministerium mit FFH-Studien zu tun, und man habe noch immer Mittel und Wege gefunden, trotz negativer FFH-Studien die Projekte bauen zu lassen. Bei einer derartigen Interessenverquickung im Bundesverkehrsministerium kann man in der Tat Herrn Limbach aufs Wort glauben... 
Ratsherr Griese verkündete vor 150 Anwesenden, er unterstütze den Forderungskatalog der Bürgervereine zur Südtangente. Auf die spannenden Frage, was er denn mache, wenn die Südtangente nicht zu den dort genannten Bedingungen zu haben sei, weil der Bund diese nicht bezahlen wolle, erklärte er, dann lehne er die Südtangente ab. Bei der Vorstellung der Planungen erklärte der Landesbetrieb Strassenbau nun im November 2002, eine Überdeckelung sei völlig unrealistisch, viel zu teuer - kurzum: eine
»Märchenplanung«. Jetzt muss Herr Griese Farbe bekennen... 

 

Nachdem die Königswinterer CDU im Verlauf des Jahres 2001 argumentativ in grosse Not gekommen war, präsentierte sie im Juli 2001 stolz eine "Dokumentation" mit 64 Fragen und Antworten zur Südtangente (abrufbar hier). Das Werk ist allerdings über weite Strecken von einer äusserst selektiven Wahrnehmung der Wirklichkeit geprägt. Die gröbsten Schnitzer haben wir in einem kleinen Kommentar zu diesem CDU-Kraftakt für Sie aufbereitet. Und wenn Sie mittlerweile Ihr eigenes Wissen zur Südtangente testen wollen - hier ein kleines Quiz von uns...(und hier die Lösung).

 

Recht deutlich sind inzwischen die Absetzbewegungen der Königswinterer FDP. Fraktionschef Gola erklärte bei den Haushaltsberatungen, die bestehenden Strassen im Siebengebirge könnten die durch den Königswinterer Bauboom entstehenden Verkehrszuwächse nicht mehr verkraften, »und die Südtangente hilft uns da auch nicht weiter« (GA 5.9.01) - während die CDU und die SPD-Mehrheit dies immer noch glauben. Inzwischen fordert die FDP sogar einen Verkehrsentwicklungsplan und fordert unabhängig von der jeweiligen Position zur Südtangente kurzfristig konkrete Massnahmen gegen die weiterhin zunehmende Autoverkehrsbelastung. Auch das lehnen CDU und SPD-Mehrheit faktisch ab und betonen lieber gebetsmühlenartig die Südtangente als Allheilmittel. 

 

Und im März 2002 präsentierte "Lebenswerte Siebengebirgsregion e.V." dem Königswinterer Rat einen Bürgerantrag, der die Widersprüche offenlegt, mit denen in  Königswinter bisher so breite Mehrheiten für die Südtangente zustandekamen. Pressemitteilung dazu hier. Der Rat sollte beschliessen, dass er eine Südtangenten-Trasse ablehnen wird, wenn sie nicht den Kriterien des Ratsbeschlusses vom 12.12.2000 entsprechen sollte (ökologisch verträglich, weitestgehende Tunnellösung, keine zusätzlichen Belastungen für den Stieldorfer Raum). Wer glaubte, so einem Antrag müssten alle Königswinterer Südtangentenbefürworter ohne zu zögern sofort zustimmen, sah sich getäuscht. Der Rat lehnte es ab, sich damit überhaupt zu befassen (Ratsbeschluss und  Presseecho hier). Er machte damit deutlich, dass alle Beteuerungen, es werde nur eine Art Öko-Südtangente kommen, die fast gar nicht auffällt, reine Augenwischerei sind: Der Königswinterer Rat will nichts anderes als genau das Bauwerk, das die Umweltverträglichkeitsstudie klipp und klar als »nicht umweltverträglich« bezeichnet und das das Bundesverkehrsministerium in seinen internen Projektunterlagen mit dem Urteil »sehr hohes Umweltrisiko« einstuft. Dem Königswinterer Rat ist das egal. Saubere Volksvertreter sind das. 

 

Die Ende 2000 begonnene Südtangenten-Offensive der Königswinterer CDU, massgeblich initiiert von den Ratsmitgliedern Roman Limbach und Andrea Milz, hat sich langsam aber sicher in eine echte Belastung verwandelt. Damals ging sie mit der Äusserung von NRW-Ministerpräsident Clement (SPD) hausieren, »Einigt Euch in der Region, dann bekommt ihr die Entlastungsstrasse.« (zit.nach GA 13.9.2000). Dreist behauptete die CDU, »In der Region besteht Einigkeit, dass der Netzschluss vollendet werden soll.« (GA 15.11.2000). Statt der beschworenen »Einheit in der Region« hat die Südtangenten-Debatte aber nur intensiven Streit in der Region und insbesondere der Stadt Königswinter verursacht. Wer immer noch, wie die CDU Königswinter, von der »Einheit in der Region« schwadroniert, hat die Existenz der Stadt St.Augustin (die die Südtangente einhellig ablehnt) wohl schon aus seiner regionalen Landkarte gelöscht. Auch die Verwechslung der »Region« mit den CDU-Fraktionen in Königswinter, Bonn und dem Kreistag (denn nur die sind einig für die Südtangente, sonst niemand) spricht Bände. Damit die Königswinterer CDU die Bodenhaftung nicht verliert, sei sie noch einmal an das letzte Kommunalwahlergebnis (1999) erinnert: Von den 29923 Wahlberechtigten wählten 9816 die CDU (32.8%), 4781 die SPD (16%). Zusammen wurden beide Südtangenten-Parteien nicht einmal von der Hälfte der Wahlberechtigten gewählt. 11836 Wahlberechtigte oder 39.6% wählten gar keine Partei.

 

Morgenluft witterte die Südtangenten-Lobby erst wieder mit der Bürgeranhörung im Rahmen des Linienbestimmungsverfahrens am 19.November 2002. In den Tagen vorher geisterten offensichtlich von der CDU inspirierte Mobilisierungsversuche durch die Königswinterer Presse - unbeachtet von den Lesern in Bonn oder St. Augustin. »Josef Blöser sicherte als Vertreter der "Initiative zur Entlastung der Ortsdurchfahrt Oberdollendorf" dem CDU-Ortsverband die vorbehaltlose Unterstützung bei der nun anstehenden Bürgeranhörung zum Linienbestimmungsverfahren zu«, konnte man da in einer CDU-Pressemitteilung lesen. Dem Dialog mit den Bürgern entlang der Trasse geht die CDU aber nach wie vor konsequent aus dem Weg. 

 

Der Bürgeranhörungstermin war mit über 300 Personen sehr gut besucht. Argumentativ sah die Südtangenten-Lobby aber kaum Land. Ratsmitglieder hatten sich bei dem Termin zurückzuhalten, und somit wurde deutlich, dass ausser Ratsmitgliedern in Königswinter kaum jemand zu halbwegs informierten Diskussionsbeiträgen pro Südtangente fähig ist. Zwar konnte niemand halbwegs überzeugend darlegen, wie eigentlich die Südtangente Dollendorf entlasten soll. Aber dennoch sah sich am Schluss der entgegen manchen Befürchtungen bemerkenswert sachlich verlaufenen Anhörung Rudolf Grupp, SPD-Vertreter aus Dollendorf schliesslich gezwungen, auf die emotionale Ebene überzugehen. Er  appellierte an die »gesamtstädtische Königswinterer Solidarität«, und deshalb sollten doch die Orte entlang der Trasse die Kröte Südtangente endlich schlucken. Wenige Tage vorher hatte seine Gattin, die SPD-Bürgermeisterstellvertreterin Iris Grupp noch ihre Version von Solidarität zum Besten gegeben, indem sie den Verein Lebenswerte Siebengebirgsregion als »vorwiegend laut und nicht kenntnisreich« abqualifizierte (GA Königswinter 15.11.02).

 

Das war allerdings starker Tobak. Jahrelang hatte sich gerade die SPD dadurch hervorgetan, dass sie Südtangenten-Kritiker in den eigenen Reihen mundtot gemacht hat, aus dem Rat vergrault hat und sich gleichzeitig bis heute kein einziges Mal den Bürgern des Stieldorfer Raums zu einer offenen Diskussion gestellt hat. Darin steht ihr die CDU kein bisschen nach - auch diese scheint den Stieldorfer Raum als eine Art Kolonialgebiet zu betrachten, das man nicht weiter ernst zu nehmen braucht. Sie macht periodische Südtangenten-Mobilisierungsveranstaltungen in Dollendorf, aber im Stieldorfer Raum geht sie der Diskussion gezielt aus dem Weg. Vor der Bürgeranhörung verteilte sie in Dollendorf ein Flugblatt mit der Aufforderung »Beweisen Sie, dass auch Sie hinter dem Bau der Entlastungsstrasse stehen« und der dreisten Bemerkung »Nur so können Sie die Gegner, die fast immer zu den kaum Betroffenen gehören, sich aber lautstark dagegen auflehnen, beeindrucken!«

 

Kein Wunder, dass sich so mancher Betroffene allmählich fragt, ob die Dörfer des Stieldorfer Raums nicht besser innerhalb der Stadtgrenzen von Bonn statt in Königswinter aufgehoben wären. Was gesamtstädtische Solidarität heisst, kann man auch in St.Augustin gut sehen - dort herrscht auch über geänderte Mehrheitsverhältnisse hinweg seit Jahren ein Konsens, dass man sich innerhalb der Stadt zwischen den Orten und Fraktionen einigt, und das heisst im Falle St.Augustins ein Allparteienkonsens gegen die Südtangente. In Königswinter das genaue Gegenteil: hier werden ganze Orte regelrecht abgebügelt. Wenn es hier um »gesamtstädtische Königswinterer Solidarität« geht, liegt der Ball seit vielen Jahren bei CDU und SPD, die ihre Südtangente immer nur mit der Brechstange durchziehen wollen.

 

Unmittelbares Resultat der Bürgeranhörung war die von der Hauptversammlung des Rauschendorfer Bürgervereins am 22.11.2002 beschlossene Stellungnahme, die die Südtangente klar ablehnt und die per Flugblatt an alle Haushalte verteilt wurde. Aber der Rauschendorfer Bürgerverein gehört für die Königswinterer CDU wohl auch zu den »Gegnern, die fast immer zu den kaum Betroffenen gehören, sich aber lautstark dagegen auflehnen«...

 

Obwohl sich das Ende der Südtangente schon im September 2002 mit dem Wahlsieg von Ulrich Kelber in Bonn und rot-grün im Bund überdeutlich abzeichnete, tat man in Königswinter das, was schon immer getan hat: den Tanz um das Goldene Kalb Südtangente fortsetzen. Das dicke Ende steht nun aber vor der Tür:  Weiter hier.

 

                                  
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20.03.03