Oberkasseler Wohngebiete
als Dollendorfer Umgehungsstrasse?

So alt wie das Problem des Durchgangsverkehrs aus den Königswinterer Bergorten durch Dollendorf zur B42 und zur Südbrücke ist auch der Versuch der in der Stadt Königswinter tonangebenden politischen Kreise, diesen hausgemachten Verkehr auf die Nachbargemeinden oder zumindest die Königswinterer Randbereiche abzuwälzen. Auch Bonn-Oberkassel hatte sich immer wieder der Versuche Königswinters zu erwehren, die vermeidbaren Blechlawinen aus dem Siebengebirge aufnehmen zu müssen. Am 27.5.1995 vermeldet der Generalanzeiger unter der Überschrift »Entlastung für Oberdollendorf«:

 

»Die Bewohner des Ortskerns Oberdollendorf können bald aufatmen. Denn in absehbarer Zeit soll eine Verbindungsstraße zwischen der Langemarckstraße in Oberkassel und dem „Grünen Weg“ in Römlinghoven gebaut werden. Somit muß der Verkehr aus den Königswinterer Bergorten nicht mehr durch Oberdollendorf zur B42 fahren. Das teilten jetzt die CDU-Ortsverbände Dollendorf und Oberkassel mit. „Es ist jetzt nur eine Frage der Finanzlage“ so Bruno Görg, Vorsitzender des CDU-Ortsverbandes Oberdollendorf. Sowohl die Bonner als auch die Königswinterer Pläne ergänzen sich und müssen jetzt noch rechtskräftig werden. „Die Planung dauerte deshalb so lange, da es in den vergangenen Jahren nicht zu einer Einigung kam“, so Karlheinz Offergeld, Vorsitzender des CDU-Ortsverbandes Oberkassel. Für die Anwohner der Verbindungsstraße bedeute der Neubau keine zusätzliche Lärmbelästigung, meinte Görg. Wir haben schon vor einiger Zeit Lärmschutzwälle entlang der neuen Straße gebaut“, so der Vorsitzende.«

 

Wenige Wochen danach gab es massive Bürgerproteste gegen das Strassenprojekt. In einem bislang relativ ruhigen Wohngebiet sollten offensichtlich die Dollendorfer Durchgangsverkehrsverhältnisse eingeführt werden, nur weil die Stadt Königswinter sich weigert, Verantwortung für den von ihr verursachten ständig steigenden Autoverkehr zu übernehmen. Rasch bildete sich eine Bürgerinitiative, die mit einem Flugblatt die betroffenen Anwohner alarmierte. Zunächst hatte sie alle Parteien gegen sich, die regierende rot-grüne Koalition ebenso wie die CDU. »Wir haben das Projekt vor mehr als zehn Jahren beantragt, und wir stehen auch jetzt noch dazu«, erklärte Beuels CDU-Fraktionschef Dederichs (GA 27.6.95) »Sichtlich besorgt zeigte sich Manfred Hendricks von der Verwaltung über die Diskussion: „Wir stehen in einem Vertrags- und Vertrauensverhältnis zur Stadt Königswinter und zum Landschaftsverband. Wir dürfen nicht wortbrüchig werden.“, berichtete der GA am 29.6.95.

 

Die CDU Oberkassel, damals Oppositionspartei, bekam dann als erste kalte Füsse. Es kam zu der merkwürdigen Konstellation, dass die Oberkasseler und bald auch Beueler CDU die Proteste einer Bürgerinitiative betroffener Anwohner gegen ein Strassenprojekt unterstützte, das die in Bonn regierende rot-grüne Koalition gemeinsam mit dem CDU-regierten Königswinter durchziehen wollte. »Der Zubringer ist aus verschiedenen Gründen unbedingt erforderlich. Die Orte Oberkassel, Oberdollendorf und Römlinghoven müssen vom Durchgangsverkehr befreit werden. Außerdem ist die Beschlußlage seit mehr als zehn Jahren eindeutig. Alle Hausbauer mußten damit rechnen, daß die Straße gebaut wird., sagte SPD-Fraktionssprecher Hans-Georg Masuhr aus Bonn-Beuel.«, vermeldete die Siebengebirgs-Zeitung am 14.9.1995.

 

Wie sehr die Oberkasseler CDU plötzlich kalte Füsse bekam und merkte, wie sie von den Königswinter Parteifreunden für deren höchst eigennützige Interessen benutzt wurde, zeigte dann ein interessanter Artikel im Generalanzeiger vom 20.9.1995 unter der Überschrift »CDU lüftet „Geheimpläne“«. Da stand zu lesen:

 

»Oberkassel. Bürgermeister Otto Kranz und Bezirksverordneter Karlheinz Offergeld (beide CDU) wissen von „geheimen Plänen“, wonach der Autoverkehr mit abknickenden Vorfahrtsstraßen von Heisterbacherrott (L268) über die K25 auf die Langemarckstraße (L490) geführt werden soll. Dies soll Dollendorf vom Durchgangsverkehr befreien. „Das ist sicherlich auch der eigentliche Grund, weswegen die rot-grüne Koalition den Zubringer zum Autobahnanschluß Grüner Weg bauen will, damit der Verkehr zügiger von den Bergorten zur B42 fließt“, vermutet Offergeld. Und Kranz ergänzte: „Es ist doch verwunderlich, daß die Grünen auf einmal einen Autobahnzubringer mitten durch ein Wohngebiet bauen wollen – sonst sind sie doch stets gegen neue Straßen. Da muß es noch ganz andere Interessen geben.“ Die Oberkasseler CDU lehnt den Zubringer Grüner Weg nach wie vor ab; für sie handelt es sich dabei um den falschen Ansatzpunkt, um Durchgangsverkehr aus Oberkassel herauszubringen. „Uns belastet nicht der Verkehr von den Bergorten, uns belastet der Verkehr aus Dollendorf.“«

 

Die Beueler SPD und Grünen wiesen die CDU-Erklärungen über »geheime Pläne« postwendend zurück, das seien alles »alte Hüte«. Gegenüber der Bürgerinitiative und auf einer Bürgerversammlung der SPD in Oberkassel am 29.8.95 wurde die Existenz solcher Absprachen mit Königswinter allerdings von den damaligen Bonner Koalitionsparteien noch dementiert. Am 6.9.95 wurde dann eine Bürgeranfrage in der Beueler Bezirksvertretung von der Bonner Stadtverwaltung schriftlich dahingehend beantwortet, dass es entsprechende Absprachen mit Königswinter schon seit 1983 gibt. Nun hatte es die Oberkasseler CDU also publikumswirksam ausgeplaudert: Königswinter will sich vom Durchgangsverkehr durch Oberdollendorf entlasten und deswegen Verkehr am Kloster Heisterbach statt wie bisher durch Oberdollendorf nunmehr Richtung Vinxel (K25) und weiter durch die Langemarckstrasse nach Oberkassel verlagern, und dafür macht die geplante Zubringerstrasse zum Grünen Weg tatsächlich einen Sinn, weil sie diese Verkehrsumlenkung erleichtert. Königswinter hatte damals bereits beschlossen, am Kloster Heisterbach eine abknickende Vorfahrt einzurichten, um dieses Ziel zu erreichen. Oberkassels CDU-Vorsitzender Offergeld erklärt auf der Bürgerversammlung am 29.8.95 seinen plötzlichen Sinneswandel damit, die CDU Oberdollendorf habe der CDU Oberkassel diese kürzlich beschlossene Massnahme auf ihren regelmässigen gemeinsamen Besprechungen verschwiegen, was er als »hinterfotzig« empfinde, aber nur so erklären könne, dass ein Bekanntwerden dieses Beschlusses in Oberkassel die Befürchtungen der Gegner der neuen Strasse untermauern würde, dass Königswinter die Absicht habe, Verkehr aus Dollendorf über die Langemarckstrasse nach Oberkassel zu lenken.

 

Noch kurz nach der Bürgerversammlung waren alle Parteien für den Autobahnzubringer (GA-Bericht hier). Das änderte sich aber schnell. Ein Bürgerantrag aus der Bürgerinitiative gegen das Zubringerstrassenprojekt, dessen Zielsetzung bei der Beueler Bezirksvertretung am 11.10.1995 weitgehend (und einstimmig) beschlossen wurde, beendete dann auf Bonner Seite das Projekt (bzw die Beschlussfassung des entsprechenden Bebauungsplans) bis auf weiteres, sehr zum Verdruss der Königswinterer. Es wurde beschlossen, mit Königswinter einen Runden Tisch über gemeinsame Verkehrsprobleme einzurichten, bis zu dessen Ergebnissen alle Planungen ruhen sollen. Der Runde Tisch scheint nie getagt zu haben.

Faktenlage ist jedenfalls, dass Königswinter immer noch massiv auf die neue Zubringerstrasse drängt und den betreffenden Bebauuungsplan schon 1986 verabschiedet hatte. Das Beispiel aus dem Jahr 1995 zeigt jedoch, wie entschlossener Widerstand einer Bürgerinitiative in Oberkassel innerhalb weniger Monate aus zunächst aussichtsloser Position gegen alle Parteien einen einstimmigen Beschluss herbeiführen konnte, mit dem die Strasse zunächst verhindert werden konnte. Aber Strassen werden nur selten endgültig verhindert – kaum lässt die Wachsamkeit der Bürger nach, versuchen es die Strassenplaner wieder. Im Mai 2000 versuchte es die nun wieder in Bonn regierende CDU – doch erneut stiess sie auf Widerstand: Aktivisten der Bürgerinitiative verteilten erneut ein Flugblatt an alle betroffenen Anwohner.

 

Der inzwischen aufgelöste Landschaftsverband Rheinland hatte noch am 21.12.2000 beschlossen, das Projekt »L490 Neubau Grüner Weg« in die Prioritätenstufe 1 seiner Empfehlungen (Datei S.11) für den Landesstrassenausbauplan und Landesstrassenbedarfsplan aufzunehmen und hatte dafür Kosten von 2.5 Millionen DM veranschlagt. Inzwischen steht dieses Projekt im Landesfernstrassenbedarfsplan NRW (Datei S.14; 4.5 MB) für den Zeitraum 2003-2006 nur noch unter »weiterer Bedarf«, hinter einer Prioritätenliste von 30 anderen Projekten. Das heisst: vor 2006 hat das Land sowieso kein Geld für diesen Königswinterer Schelmenstreich. Im April 2002 kam die CDU-Fraktion im Regionalrat sogar zu dem Schluss, schon diese Landesstrassenbauprogramm-Liste werde 10 Jahre zur Umsetzung brauchen und neue Massnahmen werde es zusätzlich nicht mehr geben. Das Projekt »L490 Neubau Grüner Weg« hat also gute Chancen, zu einem weiteren Königswinterer Luftschloss zu werden...

 


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13.08.02